Meine liebe Gabi,
als dein Mann vor vielen Jahren starb, suchtest du eine neue Lebensaufgabe. Das Schicksal traf uns vor knapp 16 Jahren auf dem Altona Straßenfest, hier in Hamburg, am Stand meiner kleinen Organisation Sorya. Ich erzählte dir lang und ergiebig über den Verein, seinen Hintergrund, seinen Aktivitäten und seinen Perspektiven – meine Lebensaufgabe! Kein Jahr später saßen wir gemeinsam auf einen Drink in Phnom Penh, Kambodscha; schweiften unsere Blicke über das tobende Treiben der Riverside und ich lauschte hochinteressiert die Geschichten deiner abenteuerlichen Vergangenheit.
Gemeinsam fuhren wir nach Tropang Sock. Ich stellte dir das Dorf, die Menschen und die Sorya Schule vor, noch ohne das Gewissen dir deine zukünftige Heimat vorgestellt zu haben. In vielen drauffolgenden Jahren kehrtest du zurück an diesem Ort, um mit viel Freude und Enthusiasmus deiner Lebensaufgabe nachzugehen – Lernen & Lehren!
Ehrlichkeit – Freiheit – Freude – Freundschaft
Du hattest dir geschworen nie wieder einer Organisation beizutreten! Wurdest aber überzeugtest Sorya Mitglied. Du hattest dir geschworen nie wieder eine Organisation zu repräsentieren! Ich kennen niemanden, mich eingeschlossen, dessen Name enger mit den Werten Soryas in Verbindung steht als deiner! Selten waren wir einer Meinung, doch waren wir ständige Wegbegleiter des gleichen Ziels.
Im Dorf nannte man dich respektvoll UM – Großmutter! Eine seltene Ehre und ein großes Lob für dein Engagement in der Kommune. Du hast den kulturellen Austausch gelebt und geliebt. Eine Begegnung mit dir glich der Öffnung von Herz und Seele.
Du sagtest einmal, dass du in Deutschland ständig mit Leid und Tod deiner Freunde und Familie konfrontiert wirst. In Kambodscha hingegeben, bist du unter vielen jungen Menschen, die dir viel Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben.
Unser letztes Gespräch ist schon einige Jahre her. Du telefoniertest von deiner Wohnung in der Bernstoffstraße aus. Deine Stimme klang schwach und leise, deine Worte waren langsam und zart. Ein stiller Abschied von mir, Sorya und Kambodscha.
„Ein neuer Zyklus darf kommen!“ – Gabriele Ripke
Dankbarkeit – Erinnerung – 19. November 1943 - 22. August 2022